Im Reich der Sinne
von Peter Jobst.10.10.2011.
Im Hintergrund spielt ein sensationell musizierendes Orchester unter Dennis Russell Davies Werke von Arvo Pärt und Benjamin Britten. Maki Namekawa (Klavier) + Mario Seriakov (Violine) agieren als Solisten in Höchstform.
Ein weißer Carrara-Marmor-Block hängt über der Tanzfläche. Zeichnungen und Skizzen, wie sie vor kurzem in der Wiener Albertina ausgestellt waren, werden durch die Tänzer zu Tableaux Vivants.
Der Abend zelebriert männliche Schönheit, Kraft, Sinnlichkeit. Im Garten des Lorenzo Medici taucht der junge Maler erstmals lustvoll und sinnlich in sein eigenes Universum ein. Er findet erste Liebhaber, Modelle für später unsterbliche Kunstwerke: David, Pietà, Genesis, Adam, Eva, Sündenfall, verlorene Paradiese:
Die Tanz-Sprache von Jochen Ulrich ist klar, akrobatisch, kraft- und fantasievoll. Spektakuläre Schritt-Kombinationen, Hebungen: Pas de Deux werden zu Gruppen-Bildern, in denen Tänzer zu einer Einheit verschmelzen.
Zaudern, Zögern, Verzweiflung des Künstlers vor makelloser männlicher Schönheit, Objekte der Begierde. Der Künstler, der sich in Tommaso Cavalieri verliebt, setzt Liebe, Leidenschaft, Verlangen mit bislang unerreichter Perfektion in Plastiken und Gemälde um.
Dieses Ringen widersprüchlicher Seelen im Körper eines Mannes verdeutlichen 3 Tänzer, in knappe Lendenschürze gehüllt, mit intensivem Körper-Kontakt: Martin Dvorak, Wallace Jones, Fabrice Jucquois. Die körperlich unterschiedlichen Tänzer ergänzen sich wunderbar in Auftreten und Bewegung. Die Chemie stimmt perfekt auf der Bühne.
Die minimalistische Tanz- und Bildsprache schafft Raum für berührende Momente: Euphorie, Freude, Lust, Trauer, Friede. Mit- und ineinander verschlungene Tänzer schaffen Augenblicke von großer Intimität. Muskeln werden zum Spiegel von Kraft, Extase, Nähe, Ruhe, Entspannung.
Eine Sternstunde des Tanzes. Ein spannender, wunderbar getanzter und umjubelter Abend, an dem einfach alles gelingt.